DRK setzt zusammen mit anderen ambulante Pflegediensten ein Zeichen
Im Gespräch mit Landrat, Landtags- und Bundestagsabgeordneten machten die Pflege-Geschäftsführer der Wohlfahrtsverbände Siegen-Wittgenstein am Samstag an der Siegener Nikolaikirche auf die schwierigen Bedingungen in der ambulanten Pflege aufmerksam.
An solch prominenter Stelle wurde in Siegen-Wittgenstein wohl noch nie auf die schwierigen Rahmenbedingungen in der ambulanten Pflege aufmerksam gemacht: Landrat Paul Breuer, die Landtagsabgeordneten Tanja Wagner, Jens Kamieth und Falk Heinrichs sowie die Bundestagsabgeordneten Willi Brase und Volkmar Klein sprachen am Wochenende mit den Pflege-Geschäftsführern der lokalen Wohlfahrtsverbände über zu wenig Geld und Zeit in der häuslichen Pflege.
Der AWO Kreisverband Siegen-Wittgenstein/Olpe, der Caritasverband Siegen-Wittgenstein, der Paritätische Siegen-Wittgenstein-Olpe, der DRK-Kreisverband Siegen-Wittgenstein, das Diakonische Werk Wittgenstein, die Stiftung Diakoniestation Kreuztal und die Diakonie in Südwestfalen initiierten die Kundgebung auf dem Rathausplatz vor der Siegener Nikolaikirche im Rahmen der landesweiten Kampagne „Hilfe! Mehr Zeit für Pflege“.
Durchschnittlich zehn Euro erhalten ambulante Pflegedienste von den Kostenträgern für die Versorgung eines Patienten – inklusive Anfahrtskosten. Eine Vergütung, die Landtagsabgeordneter Heinrichs nicht nachvollziehen kann: „Wenn ein Keilriemen mehr wert ist als ein Verband, stimmt etwas in unserer Gesellschaft nicht.“ Politiker-Aussagen wie diese machten die Kundgebung inhaltlich gehaltvoll.
Aber auch optisch zeigte sich ein imposantes Bild: Rund 100 Pflegekräfte der hiesigen Wohlfahrtsverbände versammelten sich mit ihren Dienstwagen vor der Nikolaikirche, um ihren Geschäftsführern den Rücken zu stärken. „Alle, die heute hier stehen, müssen angemessen bezahlt werden“, forderte Thomas Dörr, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Wittgenstein. Problematisch ist in der ambulanten Pflege nämlich vor allem eines: „Es wird qualitativ hochwertige Pflege gefordert, aber die Leistungen werden von den Krankenkassen nicht entsprechend vergütet“, sagte Harry Feige, Geschäftsführer der Ambulanten Pflege bei der Diakonie in Südwestfalen. Gute Pflege habe ihren Preis. Dem pflichtete auch Matthias Giffhorn bei, Bereichsleiter für die häusliche Pflege bei dem AWO Kreisverband Siegen-Wittgenstein/Olpe. Giffhorn äußerte deutliche Kritik an den Kostenträgern: „Für den gesamten Bereich der häuslichen Pflege wenden die Krankenkassen nur zwei Prozent der vorhandenen Gelder auf. Nahezu die dreifache Summe fließt hingegen in deren Selbstverwaltung.“ Dies sei ein Missverhältnis, das so nicht bestehen bleiben könne.
„Die ambulante Pflege steht seit Jahren unter einem enormen Druck. Das Rationalisierungspotential ist jetzt ausgeschöpft“, sagte Ralf Henze, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein. „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es nicht mehr weiter geht“, betonte auch Barbara Köberlein aus dem Vorstand des Caritasverbandes Siegen-Wittgenstein. Man erwarte Rahmenbedingungen, unter denen Pflegekräfte eine gute Arbeit leisten können. Gute Arbeit, das bedeutet bei einem sozialen Beruf wie der Pflege vor allem auch Zeit für die alten und kranken Menschen zu haben. Zwischenmenschliches wie ein Gespräch sei unter diesem Zeitdruck nahezu unmöglich, sagte Dietmar Braun, Geschäftsführer der Stiftung Diakoniestation Kreuztal.
Ein Umstand, den auch Angehörige pflegebedürftiger Menschen nicht befürworten: „Der persönliche Bezug zwischen Patient und Pflegekraft nimmt immer mehr ab“, äußerte Julian Benito-Rabenort, dessen Mutter von den Mitarbeitern der Stiftung Diakoniestation Kreuztal gepflegt wird.
Wie der Pflegealltag unter diesen Bedingungen konkret aussieht, davon überzeugten sich die Landtagsabgeordneten Kamieth und Heinrichs in der vergangenen Woche persönlich. Sie begleiteten den Pflegedienst des DRK-Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein und der Stiftung Diakoniestation Kreuztal. Von ihren Erlebnissen zeigten sie sich beeindruckt: „Ich habe festgestellt, welche tolle Arbeit die Pflegekräfte leisten und dass die aktuelle Vergütung in keiner Relation zu der pflegerischen Leistung steht“, erklärte Heinrichs. Kamieth berichtete von einer „unglaublichen Erfahrung“ und versprach, die Leistungsvergütung im Düsseldorfer Landtag zu thematisieren.
Klare Stellung zum Thema bezog auch Bundestagsabgeordneter Brase und versicherte, seinen Standpunkt in Berlin zu vertreten. „In unserer Gesellschaft gilt es nicht nur Banken zu retten, sondern auch das zu vergüten, was Menschen für Menschen täglich leisten.“